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Projekt "365 Orte im Land der Ideen"
Das "Lichtenberghaus" in Göttingen

In diesem Jahr findet das Projekt "365 Orte im Land der Ideen" statt. Mit dieser Imagekampagne will sich Deutschland im Rahmen der Fussball WM 2006 international präsentieren. Schirmherr Bundespräsident Horst Köhler und die Zeitung "DIE ZEIT" versuchen so Deutschland als Land der Ideen darzustellen.

Bis zum 30. September konnte sich hierfür jede beliebige Einrichtung bewerben. Unter allen Bewebern wurden durch eine Jury 365 Projekte ausgewählt, die seit Januar 2006 Tag für Tag auf einer Website und einem Bericht in der "ZEIT" vorgestellt werden.

Die Stadt Göttingen hatte sich u.a. mit dem "Lichtenberghaus" in der Gotmarstr. 1 beworben - und wurde in die Imagekampagne aufgenommen. Offiziell vorgestellt wurde das "Lichtenberghaus-Projekt" in der Rubrik "Ort des Tages" am 2. Januar 2006 auf der Website "Deutschland - Land der Ideen".

Das "Lichtenberghaus" in Göttingen
Keimzelle der Experimentalphysik - Ort der Aufklärung

Man muss etwas Neues machen,
                                                                                 um etwas Neues zu sehen. (Lichtenberg)

Das Lichtenberghaus in Göttingen, Gotmarstr. 1

Das Fachwerkhaus Gotmarstraße 1 im historischen Stadtkern von Göttingen wurde 1742 durch den Kaufmann Christian Ludwig Schmahle (1706-1777) erbaut ("Schmahles Laden").

1768 bezog der aus Gotha 1766 zugezogene Verlagsbuchhändler Johann Christian Dieterich das Gebäude und errichtete im Erdgeschoss seine Druckerei. 1780 ging das Haus in seinen Besitz über. Anfang 1785 erwarb er für 6000 Taler auch das angrenzende Haus, das sogenannte "Büttnersche Haus", in der heutigen Prinzenstraße 2, das für den Aufenthalt der englischen Prinzen, die 1786-1790/91 in Göttingen studierten, "königlich" hergerichtet wurde. Lichtenberg berichtete darüber am 2. April 1787 Ernst Christian Friedrich Adam Schleiermacher: "Unser Haus ist ein Schloß geworden (...) Ich wohne noch in dem selben Hauße, aber an einer andern Seite, die ich aber schon lange vor der Printzen Ankunfft bezogen hatte. Das benachbarte Büttnersche Haus ist mit dem alten vereint, und Wir haben Schilterhäußer und Grenadire mit Bären Mützen vor der Thüre." (Bw 3, 1516, S. 341)

Die Geschichte und Tradition der Göttinger Universitätsverlage wurde hier in der Gotmarstraße mitbegründet und mitgeprägt. Bücher - heute gern als "Bildungsinvestition" bezeichnet - hatte damals schon Goethe bei seinem Besuch in der Göttinger Universitätsbibliothek gewürdigt als "großes Kapital, das geräuschlos Zinsen spendet."
 
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Von 1775 bis zu seinem Tod am 24. Februar 1799 lebte Georg Christoph Lichtenberg mit seiner Familie in diesem Haus. Lichtenberg, 1742 geboren in Ober-Ramstadt bei Darmstadt, kam 1763 nach Göttingen und studierte hier Mathematik, Astronomie und Naturgeschichte. 1770 wurde er zum außerordentlichen, 1775 zum ordentlichen Professor ernannt.

Lichtenberg - Mathematiker, Astronom, Physiker, aber auch Schriftsteller und Philosoph im Zeitalter der Aufklärung - gilt als Begründer der Experimentalphysik in Deutschland. Er lebte und arbeitete in diesem Haus, hier forschte und lehrte er. Mit einer Vielzahl von Geräten führte Lichtenberg in seinem physikalischen Kabinett Experimente durch, dabei entdeckte er die nach ihm benannten Lichtenberg-Figuren, mit denen ein wichtiger Nachweis zu den Grundlagen der Elektrizität gelang (Bi-Polarität, +/-). Das dabei sichtbar gemachte Prinzip elektrischer Ladungsspitzen nutzt man heute bei xerographischen Druckverfahren (Fotokopierer).

Lichtenberg hatte die von ihm verwendeten Geräte selber gekauft oder von Göttinger Handwerkern und Mechanikern herstellen lassen. Die Gerätesammlung ging gegen eine Leibrente in Höhe von 200 Talern im September 1789 in den Besitz der Georgia Augusta Universität über und bildete den Grundstock der Sammlungen des Physikalischen Instituts, an dem in späteren Jahren Gauß und Weber arbeiteten (1833 erster elektrischer Telegraph), nach 1900 dann Nobelpreisträger wie Max Planck, Werner Heisenberg, Max Born, Max von Laue und Enrico Fermi. Mit den physikalischen, universitären Forschungen ging einher die Entwicklung der feinmechanischen und messtechnischen Industrie in Göttingen. Diese naturwissenschaftlich-technische Infrastruktur von Firmen und Instituten umfasst heute etwa 40 Unternehmen mit 6.000 Mitarbeitern und Umsätzen von 400 Mill. €. Sie repräsentieren sich im "Measurement Valley e.V.", als dessen Keimzelle das Lichtenberghaus angesehen werden kann.
 
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In dem historischen Fachwerkbau hatten Lessing, Alessandro Volta, Goethe und andere berühmte Zeitgenossen den Göttinger Professor aufgesucht. In dem großen Saal versammelten sich Semester für Semester an die einhundert Studenten, um seinen Vorlesungen zur Experimentalphysik oder zur Astronomie zu folgen, unter ihnen Carl Friedrich Gauß und Wilhelm und sein Bruder Alexander von Humboldt, der sich später in einem Brief an seinen verehrten Lehrer Lichtenberg bedankte: "Ich achte nicht bloß auf die Summe positiver Kenntnisse, die ich Ihrem Vortrag entlehnte - mehr aber auf die allgemeine Richtung, die mein Ideengang unter Ihrer Leitung nahm." (Bw 3, 1747)

Man muss mit Ideen experimentieren.
Bildnisrelief (Bronze), Konrad Jochheim (1942) - Lichtenberghörsaal, Neubau der 1. Physik, Tammanstr., Göttingen (Foto: Klaus Hübner)

Vielen ist Lichtenberg eher als Aphoristiker, Satiriker oder Briefliterat bekannt. Die Beobachtungen des "Selbstdenkers" Lichtenberg (Schopenhauer) wie seine scharfsinnigen Gedanken, aufgezeichnet in den "Sudelbüchern", enthalten zeitlos Gültiges über den Geist der Wissenschaft und die Wege der Forschung. Sie haben bis in die Gegenwart Philosophen und Wissenschaftler, Literaten und Künstler zum Weiterdenken angeregt.


Sigmund Freud schrieb Anfang der dreißiger Jahre an Albert Einstein: "... aber vielleicht war er als Psychologe noch bedeutender denn als Physiker". Und der noch größere Physiker Einstein hatte 1955 über Lichtenberg notiert, er kenne keinen, "der mit solcher Deutlichkeit das Gras wachsen hört".

Seinen Zeitgenossen war Lichtenberg auch als Schriftsteller bekannt. Seine Briefe aus England, in der literarischen Zeitschrift "Deutsches Museum" veröffentlicht, sind Zeugnisse der Reise- und Theaterliteratur, erste Großstadtliteratur überhaupt. Mit mehreren Satiren griff Lichtenberg in wissenschaftliche und gesellschaftliche Auseinandersetzungen ein, angetrieben von aufklärerischen Impulsen, geleitet von Gedanken und Prinzipien der Toleranz. Als "Hauszins" für seinen Freund und Vermieter, den Universitätsbuchdrucker und Verleger Dieterich verfasste Lichtenberg mehr als 200 Beiträge für den von ihm herausgegebenen Göttinger Taschen-Calender, unterhaltsame Aufsätze zum Nutzen und Vergnügen, Aufklärungsliteratur im besten Sinne. Seine Ausführlichen Beschreibungen der Hogarthischen Kupferstiche erlebten im 18. und im 19. Jahrhundert zahlreiche Neuauflagen. Mit seinen Bildinterpretationen schuf Lichtenberg ein Genre, in dem es ihm bis heute kein Künstler gleich getan hat.

Gedanken und Anmerkungen aus seinen Sudelbüchern wurden erst postum in den Vermischten Schriften abgedruckt, später dann wurde auch der Briefliterat Lichtenberg bekannt. In seinen Sudelbüchern, um 1900 wiederaufgefunden und veröffentlicht, finden sich unter den über 8.000 Einträgen etwa 2.000 Aphorismen, knappe, prägnant geformte Sätze, die überraschend eine Erkenntnis vermitteln.

Begeben Sie sich auf die Spuren von Georg Christoph Lichtenberg - in Lichtenbergs Göttingen, im heutigen Göttingen und in seinen Büchern!

 

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Lichtenbergs Altan, auf dem er u. a. mit A. Volta Experimente zur Luftelektizität durchführte. Lichtenberg berichtet darüber am 25. Oktober 1784 an Samuel Thomas Soemmerring: 'Volta war offt schon um halb 8 des Morgens bey mir, und hielt aus bis Mittag. Wir haben die Versuche mit dem Ballon und Lufft=Eleck:[trizität] 2mal, einmal bey Nebel und einmal bey heiterer Witterung angestellt, und beydemale die Lufft starck positiv befunden. Diese Versuche machten ihm soviel Vergnügen, daß er würklich weder hörte noch sah. Ich präsentierte ihm einige Herren, aber er nahm weder den Hut ab, noch schien er sonderlich zu mercken was ich wollte, sondern lief immer wieder auf den Altan.' (Bw 2, 1311)