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Sudelbücher

Sudelbücher: Einführung
Quellenbeispiel: Sudelbuch F
Auswahl aus Lichtenbergs Sudelbüchern
Ulrich Joost: "Schmierbuchmethode bestens zu empfehlen" (pdf)

"Ach der mit den Aphorismen?" ist die stereotype Antwort, fragt man den sogenannten gebildeten Laien nach Georg Christoph Lichtenberg - und das ist schon mehr, als man erwarten darf. Tatsächlich gehört Lichtenberg zu den seltenen und selten guten Schriftstellern, die zu Lebzeiten (oft, wie in seinem Fall, heimlich) etwas produzierten, woran erst die Nachwelt sich delektieren konnte: Seine legendären Sudelbücher. Hinter diesem selbstironischen Ausdruck verbirgt sich die Gewohnheit, mit geradezu obsessiver Regelmäßigkeit die eigenen Einfälle oder aufgesammelte Gedanken anderer aufzuzeichnen.

Lichtenberg begann damit vielleicht schon zu Schulzeiten, überliefert sind uns seine Schreibbücher und leider auch durchaus nicht vollständig; erhalten ist uns jedenfalls zwischen 1765 und 1799 (seinem Tod im Februar) rund zwei Drittel. Er markierte nachher die im Format immer größer werdenden Bücher mit Versalbuchstaben (für A und B haben wir nur einzelne Hefte, G und H fehlen ganz, von K alles bis auf die Deckel und ein paar Einzelblätter; als er starb, war er sinniger Weise bei L angelangt). Er perfektionierte die Ordnung immer weiter, schrieb seit 1784 von vorn beginnend (arabisch paginiert) die allgemeinen Bemerkungen ein, denen die naturwissenschaftlichen und -philosophischen von hinten mit römischer Zählung entgegen liefen. Irgendwo um die Mitte trafen sich dann nach vier oder fünf Jahren die Bemerkungen. In den Phasen seiner Datenaufzeichnungen kann man sehen, dass er ungefähr alle drei Tage sich niedergesetzt haben muss, um dieses rein intellektuelle Tagebuch zu schreiben - wie einen religiösen Akt, ein paganes Gebet.

Was er uns dabei hinterlassen hat, ist eins der unauslesbaren Bücher der Weltliteratur, und auch wenn sich zwischen den Prosaperlen, die er da vor uns hinschüttete, viel Sand findet, fade Witze oder bloße Exzerpte etwa, so bleibt noch genug für ein langes Leseleben. Ein Buch, was man mit auf die einsame Insel nehmen wird, auch und gerade dann, wenn das zweite etwa das Notizbuch mit den Telephonnummern sein sollte.

 
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