Leben
Ich vergesse das meiste, was ich gelesen habe, so
wie das, was ich gegessen habe, ich weiß aber soviel, beides trägt
nichtsdestoweniger zu Erhaltung meines Geistes und Leibes bei. (besser)
[Sudelbuch J, 133]
Lichtenbergs Leben ist wesentlich geprägt durch die Herkunft aus
einer Familie, die seit Jahrhunderten im pfälzischen und oberrheinischen
Raum als Beamte, Gelehrte und (in seinem Fall beinahe noch wichtiger)
als Theologen tätig war:
Sein Großvater, Verwaltungsjurist, war ein sogenannter "Erweckter"
Pietist; sein Vater, protestantischer Pfarrer, der es nachher immerhin
zum Superintendenten (Landesbischof) von Hessen-Darmstadt gebracht hatte;
die Mutter, Tochter eines Geistlichen und seine Brüder alle durch
ihre Ausbildung Juristen. Sie waren von Beruf Amtmann, was mit der niederen
Gerichtsbarkeit verbunden war, Gerichtsrat und Hofbeamter, Geheimer Archivar
und damit auch Hofjurist.
Bestimmend für sein Leben war aber nicht minder nachhaltig seine
körperliche Missgestalt, der Buckel also, der mit Bestimmtheit nicht,
wie in älteren Lexika und Biographien immer wieder zu lesen ist,
durch die Unachtsamkeit seiner Amme oder Kinderfrau zustande gekommen
war (man kann gewiss allerlei einem Kind antun, wenn man es fallen lässt,
doch einen Buckel bekommt es, nach einhelliger Auffassung aller Kinderärzte,
auf keinen Fall). Sondern er wird in jedenfalls jungen Jahren vermutlich
durch Rachitis zu seiner lebensbestimmenden Verkrümmung der Wirbelsäule
gekommen sein, wie Horst Gravenkamp mit minutiöser Sichtung und Vergleichung
aller Zeugnisse nachgewiesen hat. Neuerdings will der Mediziner Ruckes
eine andere Ursache entdeckt haben, wie das so geht im wissenschaftlichen
Fortschritt: man wird seine Argumente abwarten müssen, um ihr Gewicht
zu prüfen. Diese körperliche Missgestalt jedenfalls zwang Lichtenberg
zu einer Tätigkeit, die geringere körperliche und repräsentative
Belastungen erwarten ließ: Er wurde ein "Federfuchser".
Unsere Chronik soll nur rasch die wichtigsten Stationen seines Lebens
zusammenfassen, eine wirkliche Biographie zu ersetzen, vermag sie selbstredend
nicht.
"Der dozierend vorgestreckte
Zeigefinger ist nachgerade eine berufstypische Handbewegung!"
(Lichtenberg, stehend, Bleistift auf Papier, ohne sichere Datierung, wahrscheinlich
1795, gilt als einzige authentische Darstellung Lichtenbergs. Sie wird
Georg Heinrich Wilhelm Blumenbach zugeschrieben, dem Sohn von Lichtenbergs
Kollegen und Freund Johann Friedrich Blumenbach, jedenfalls vermutlich
von einem Hörer gezeichnet.)
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