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Aus Lichtenbergs Hauptvorlesung der Physik:
Die erste Stunde
Mit diesem Prolegomena begann Lichtenberg zwischen 1778
und 1785 seine Hauptvorlesung zur Physik:
Prolegomena
... Ehe ich mich zu der Hauptabsicht unserer Zusammenkunfft
wende, wird es nicht unnütz seyn etwas über die Einrichtung
dieses Collegii überhaupt zu sagen, und zwar zuerst ein Paar Worte
über das Buch. Als ich vor mehrern Jahren über diese Wissenschafften
zu lesen anfieng, dachte ich es so zu machen wie etwa die Engländer
von denen ich damals frisch hergekommen war, und namentlich der berühmte
Ferguson, und gar kein Buch zum Grund zulegen. Dieser Mann, der nun mehr
todt ist und nicht mit dem Philosophen Ferguson verwechselt werden muß,
laß die Experimentalphysic in London mit dem größten
Beyfall. Es lief alles hinein. Christen und Juden, Officiere Frauenzimmer
und Quaker und Professoren von Göttingen. Er hatte kein Buch ja nicht
einmal in den 5 bis 6mal, da ich seine Vorlesungen besuchte, Kreite und
Schwamm; Es gieng alles mit Versuchen, jedoch verwieß er häufig
auf Schrifften. Was Ferguson für Ursachen gehabt haben mag kein Buch
zu wählen, kan ich nicht sagen. Die meinigen waren nicht unwichtig.
Ich konnte kein Buch ... finden das völlig das gewesen wäre,
was ich verlangte. Als endlich Erxlebens
Buch
nach der 2ten Ausgabe erschien, so zeichnete es sich überhaupt sehr
zu seinem Vortheil aus, aber hauptsächlich von einer Seite die jedes
andere Buch, wenn es nur einigermassen erträg]ich gewesen wäre,
hätte annehmlich machen können, und das ist die Bücherkenntniß.
Ich weiß wohl der Deutsche geht offt hierin zu weit. Ich glaube
nicht, daß noch ein Volck in der Welt ist, das sich so sehr um das
bekümmert, was andere Völcker in Wissenschafften und Künsten
gethan haben, als die Deutschen. Diese Kenntniß erstreckt sich zu
weilen auch auf Künste, die nicht sehr frey sind. Ich glaube nicht
zu viel zu sagen, wenn ich behaupte, daß der deutsche Gelehrte,
die Nahmen der englischen Spitzbuben und Straßen Räuber besser
kennt, als der Engländer die deutschen Gelehrten. Es geht ... unglaublich
weit. Wenn man unter den verstorbenen Leibnitz den HE. v. Haller, Mosheim,
den Cantzler, Wolf, unseren Tobias Mayer und den lezthin verstorbenen
Philosophen von Sans souci und einige wenige anderee ausnimmt, so wissen
sie von keinem was. Und auch von denen kennt doch nur der Theolog den
Theologen, der Arzt den Arzt. Daher werden gemeiniglich auch ihre Schrifften
elend so bald sie sich in das litterärische hinein begeben. Es ist
alsdann schon ein gutes Glück wenn man nur richtig geschriebene Nahmen
antrifft. ...
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Der Deutsche, das kan nicht geläugnet werden, übertreibt
es hierin sehr offt. Man darf sich auch nur etwas in deutschen Gesellschaften
umgesehen haben um sich zu überzeugen, was für eine ungeheure
Menge von seichten Köpfen es giebt, die einem zu sagen wissen, was
in jeder Materie geschrieben ist, ohne im mindesten im Stand zu seyn, ein
geschlossenes Räsonnement in diesen Dingen auszuhalten, also folglich
ohne diea Sache anschaulich und gründlich zu verstehen, und das ist
sehr übel. ... Allein Bücher muß man kennen, nicht der Titul
wegen, sondern um weiter gehen zu können, und da hat HE. Prof. Erxl.[eben]
sehr wohl gethan die vorzüglichsten jedesmal zu nennen. Denn da man
in dem halben Jahr ohnehin genug zu thun hat, so ist es kein geringer Zeitgewinn
sich blos an die Sachen halten zu dürfen und nicht noch Zeit mit Litterärgeschichte
zu verliehren, zumal in einem Collegio wie dieses, das vorzüglich Versuchen
gewidmet ist. Aus dieser Ursache habe ich das Erxlebensche
Compendium seit 7e Jahren (Sommer 1785), da ich die Physic 16f mal gelesen
habe, zum Grund gelegt. Ich bin ihm zwar nie gantz treu geblieben, das ist
unmöglich. Indessen habe ich in dieser neuen Ausgabe, doch manches
beygebracht, was uns vorher trennte. Ich muß also recht sehr bitten,
daß Sie das Compendium mitbringen. Ich habe viele Zusätze gemacht,
gar nicht um darüber umständlich zu lesen, wenigstens nicht über
alle, sondern blos um mir Zeit zu ersparen .... Sie würden also, wenn
Sie dieses Collegium nicht als einen blosen Zeitvertreib ansehen wollen,
und das werden Sie gewiß nicht, viel verliehren würden, wenn
Sie das Buch nicht hätten. Ich habe die Zusätze gemacht, wahrhafftig
nicht um noch mehr Zeit in Erklärung derselben zu verliehren, sondern
blos um mir Zeit zu ersparen. Allein auch um diese ersparte Zeit nützlich
anzuwenden. Denn, wenn ich von der einer Seite vieles weglassen werde, was
im Buch steht, so können Sie auf mein Wort überzeugt seyn, daß
ich eine Menge von Dingen mitnehmen werde, die nicht im Buche stehen, hauptsächlich
die vielen Erläuterungen. Ausserdem wäre es mir auch um deswillen
lieb, wenn Sie das Buch bey der Hand hätten: Ich habe im vorigen Sommer
die Zusätze flüchtig hingeschrieben, und nachdem ich alles übersah,
manches bereut; auch hat sich die Wissenschafft, während des Schreibens
sehr geändert. Alles das werde ich sorgfältig verbessern, und
ich soll dencken, daß wenn Sie sich meine Verbesserungen alle hinzugeschrieben
haben, so soll das Buch eine so ziemlich richtige Darstellung des Gegenwärtigen
Standes der Physic seyn. Daß übrigens das Erxl. Compendium großer
Zusätze bedurfte, davon will ich nur einige Beyspiele anführen.
Das Septennium, worin das Buch todt lag, war grade das, wo die Physic am
lebendigsten fortschritt.g Unter andern stunde das Wort Elektrophor gar
nicht im Buche. Eben so auch die Nahmen Eudiometer, dephlogistisirte Lufft
Knallufft und so mit 13 Arten von Lufft. Der erhabenen Wörter Lufftball,
Aërostat und Lufftschiff nicht einmal zu gedencken, wovon nichts vorkommen
konte. Nicht zu gedencken, daß in der Statick und Optic einiges vorkam,
was würcklich gantz falsch war, so hat er in der Lehre von der Elecktricität
einen Hauptsatz (Pg 493. unter der Anmerck steht mein Nahme nicht), auf
den sich alles gründet, gantz im vorbeygehen vorgetragen. Ich werde
Sie darauf aufmercksam machen, wenn ich dahin komme.
Indessen alles umzuarbeiten wäre sehr verdrüßlich
gewesen. Es belebte mich nichts dazu. Wäre die Umarbeitung gut ausgefallen,
so hätte es immer [jemand?] das Erxlebensche Compendium genennt, und
wäre alles mißglückt, so hätte man es zuverlässig
mir zu Ehren das Lichtenbergische genannt. Sie haben also hier das Erxleb.
Compendium völlig wie vorher, nur mit Zusätzen bereichert, die
er, wie ich vermuthen konte selbst würde gemacht haben einige Kleinigkeiten
ausgenommen. Ich habe vernommen, daß es an Compendiis fehlen soll.
Ich hielt es für ein Compliment des HE. Verlegers ... Nun noch einige
Erinnerungen. Die meisten Herren haben sich gute Plätze ausgebeten,
das geht nicht, ich werde noch in dieser Woche zeigen daß es unmöglich
ist, daß [Zahl getilgt] Personen
in einer kleinen Stube alle gleich nah sitzen können. Allein das
ist möglich, ich kan dem Schaden vorbeugen. Und das will ich von Hertzen
gerne thun. Ich habe mir also vorgenommen nach Pfingsten des Sonnabends
eben diese Stunde solchen Versuchen zu widmen, die in der Ferne nicht gut
können gesehen werden. Des Sonntags wolten Sie nicht kommen ... Das
ist alles was ich thun kan. Sie müssen bedencken ich habe selbst Physic
gehört, wo 130 Personen zugegen waren, und ob ich gleich nicht der
130te war, so war ich auch nicht der erste, und habe doch alles gesehen
und gehört. Auf dem Theatro anatomico geht es nicht besser. Wollen
Sie auch nach den Stunden und des Sonnabends meine Instrumente
ansehen, so wie man anatomische Präparate besieht, so sind Sie
herzlich willkommen. (Nun noch eine Erinnerung. Und das sind die) Ferner
Gewitter. Ich gehöre mit unter die gewöhnlichen Menschen, die
sich zwar wenig vor dem Gewitter fürchten, denen es aber doch lieber
ist, wenn keines kömt oder wenigstens nicht gerne in grosen Versammlungen
alsdann ist. Solte also ... während die 4 Uhr heranrücken auch
ein Donnerwetter im Anmarsch seyn, so will ich bitten, sich nicht zu bemühen.
Dieses ist ein hohes Hauß. Wenn der Blitz
in ein Haus einschlägt, das seine gewöhnlichen 8 bis 10 Bewohner
in sich hat, so ist es gar nicht wahrscheinlich, daß der Blitz etwas
thut, allein schlägt er in ein Hauß ein, wo in einem eintzigen
Zimmer so vielej Menschen versammelt sind, so ist es mehr als wahrscheinlich,
daß einer oder mehrere darunter auf dem Platz bleiben, und das wäre
sehr unangenehm. Die Donnerwetter sind überhaupt hier nicht gefährlich.
Aber diese Vorsicht kan man leicht gebrauchen. Ich werde sogar in der Mite
schließen, wenn eines ankömt. Es ist immer besser bey seinen
eignen Penaten und seiner eignen Caffee(kanne) zu sitzen. Die Hunde. Auch
wegen der Sonnabend Stunde, die erst nach Pfingsten angehen soll.
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